Offener Brief an den Gesamtregierungsrat Basel-Stadt Die Führungsverantwortlichen der Basler Polizei haben ein Gewaltproblem

Politik

Der Feministische Streik Basel übergibt heute, am internationalen Tag gegen Polizeigewalt einen offenen Brief an den Gesamtregierungsrat und insbesondere an Regierungsrätin Stephanie Eymann.

Basel am 15. März 2023.
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Basel am 15. März 2023. Foto: zVg

15. März 2023
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In knapp 48 Stunden unterzeichneten mehr als 2000 Personen.

In dem offenen Brief fordert der Feministische Streik und Frauenstreik Basel eine systematische Aufarbeitung antidemokratischer und antifeministischer Entscheidungen und kritisiert die Systematik, die vor allem feministische Proteste in den letzten Jahren erleben.

«Eine Polizeibehörde, die kontinuierlich solche Anstrengungen unternimmt, um feministische Demonstrationen zu unterbinden, wie sie am 8. März jährlich in hunderttausenden Städten weltweit stattfinden, ist keine Partnerin im Kampf gegen patriarchale Gewalt, sie ist diese Gewalt selbst, in institutionalisierter Form», heisst es im Brief selbst.

Weiterhin fordert die Bewegung:
  • die Entlassung der verantwortlichen Personen.
  • die Löschung der Personendaten, der Aktivist*innen der 8. März Demo 2023.
  • ein generelles Verbot von Gummigeschossen, da es irreversible Körperverletzungen verursachen kann.
  • feministische Weiterbildungen für alle Beamt*innen der Stadt Basel, damit sie weniger strukturelle Diskriminierungen und Gewalt in Form solcher Entscheidungen reproduzieren.
Feministische Bewegungen von Madrid über Basel bis mindestens nach Ankara nehmen sich weiterhin die Strassen, denn: Our favorite season is the fall of patriarchy!!!

whose body? our body! whose right? our right! whose choice? our choice!

Offener Brief an den Gesamtregierungsrat Basel-Stadt sowie anRegierungsrätin Eymann im Besonderen

Der Feministische Streik Basel und Frauenstreik Basel verurteilt die kontinuierliche Kriminalisierung der feministischen Bewegung, die zuletzt am 8. März 2023 in Form von Repression und polizeilicher Gewalt eskalierte! Diese staatliche Gewalt richtet Schaden an und kann Menschen traumatisieren und retraumatisieren. Das muss jetzt aufhören!

"Halt Gewalt" hiess im November 2022 die jährliche Kampagne gegen häusliche Gewalt im Kanton Basel-Stadt, die u.a. die Kantonspolizei Basel-Stadt anlässlich des internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, dem 25. November, lancierte. Die Basler Polizei als vertrauenswürdige Ansprechpartnerin im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt? Noch am selben 25. November 2022 ging die Behörde mit Tränengas und Gummischrot gegen Demonstrant*innen vor, die ja gerade gegen Gewalt an FLINTA-Personen einstehen wollten – Einschüchterungsversuche durch ein übermässiges Polizeiaufgebot und staatliche Gewalt gegen eine gewaltlose, feministische Demonstration, wie zuvor am 14. Juni 2020 und am 14. Juni 2022.

Wir können feststellen, dass dies in Basel nun ganz offensichtlich System hat!

"Halt Gewalt" wollte mensch auch am vergangenen Mittwoch, dem 8. März 2023, rufen. Nicht gegenüber häuslicher Gewalt, sondern im Angesicht der kantonalen und ausserkantonalen "Sicherheits-"Organe, die sich der feministischen Bewegung und ihren Anliegen abermals mit einem unverhältnismässigen Polizeiaufgebot entgegenstellten. Mehr noch, die repressive Intervention der Polizei war angekündigt. Die Aktivist*innen, die durch die Ausübung ihres verfassungmässigen Rechts auf Versammlung und Demonstration Gleichberechtigung der Geschlechter, Schutz vor Diskriminierung und Gewalt einforderten, wurden bereits am Dienstagabend in der Polizeimeldung aufgefordert, dem Versammlungsort am Barfüsserplatz fernzubleiben, Personenkontrollen wurden angekündigt.

Der darauf folgende Polizeigrosseinsatz schliesslich, die Verunmöglichung einer Versammlung am Barfüsserplatz, das Einkesseln der Demonstrant*innen nach wenigen 100m gelaufener Demo, das Fernhalten von Pressevertreter*innen und sich solidarisierenden Menschen, der Einsatz von Gummischrot (zur Gefahr von Verletzungen bis hin zum Tod durch Gummigeschosse siehe auch den aktuellen Bericht von Amnesty International)1 aus nächster Nähe und Pfefferspray sowie das stundenlange Festhalten der Eingekesselten und die einschüchternden Personenkontrollen machten überdeutlich, wofür die Basler Polizei aktuell steht.

Eine Polizeibehörde, die kontinuierlich solche Anstrengungen unternimmt, um feministische Demonstrationen zu unterbinden, wie sie am 8. März jährlich in hunderttausenden Städten weltweit stattfinden, ist keine Partnerin im Kampf gegen patriarchale Gewalt, sie ist diese Gewalt selbst, in institutionalisierter Form. Sichtbarster Ausdruck dieser Gewalt mögen die mit Körperpanzerung, Helm, Schild, Schlagstock, Tränengas und Gummischrot ausgestatteten Beamt*innen sein. Das Problem der Basler Polizei liegt aber in der Ideologie ihrer Führungsebene, sowie der übergeordneten politisch Verantwortlichen.

Die Praxis der präventiven Kriminalisierung (d.h. die Annahme eines Fehlverhaltens vor einer Tat) legitimen Protests diskreditiert die Basler Polizei erneut als reaktionär-antifeministisch und demokratiefeindlich. Die auf politischer Ebene getroffene Entscheidung, den 8. März 2023 zu einem Tag der Repression gegen demokratischen Protest für Geschlechtergerechtigkeit zu machen, ist Ausdruck der Verachtung gegenüber den Forderungen nach Geschlechtergerechtigkeit und gegenüber den Demonstrant*innen selbst.
  • Wir fordern deshalb die systematische Aufarbeitung solcher antidemokratischen und antifeministischen Entscheidungen!
  • Wir fordern die Entlassung der verantwortlichen Personen.
  • Wir fordern die Löschung der Personendaten, der Aktivist*innen der 8.März Demo 2023.
  • Wir fordern ein generelles Verbot von Gummischrot, da es irreversible Körperverletzungen verursachen kann.
  • Und wir fordern feministische Weiterbildungen für alle Beamt*innen der Stadt Basel, damit sie weniger strukturelle Diskriminierungen und Gewalt in Form solcher Entscheidungen reproduzieren.
Im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt und für Gleichberechtigung lassen wir uns weder spalten noch kriminalisieren und schon gar nicht aufhalten. Unter Inanspruchnahme der demokratischen Rechte werden wir weiter streiken und demonstrieren. Aus diesem Grund rufen wir alle Menschen, Gruppen und Institutionen, die sich für eine freiere, gleichberechtigtere und solidarischere Welt einsetzen, auf, diesen Brief zu unterschreiben.

... Und es gibt auch Grund zur Freude. Spätestens in drei Monaten sehen wir uns wieder! Alle Streikkollektive der Schweiz rufen für den 14. Juni erneut zum landesweiten Streik auf.

Und, feministische Bewegungen nehmen sich weiterhin weltweit die Strassen, denn: Our favorite season is the fall of patriarchy!!!

pm

1 https://www.amnesty.ch/de/themen/weitere/polizeigewalt/dok/2023/polizeieinsaetze-mit-gummigeschossen-weltweit-tote-und-verletzte